Positionen und Diskussion zum 125. Geburtstag
125 Jahre Franz Kafka – das heißt im deutschsprachigen Raum vor allem eine abwechslungsreiche Rezeptionsgeschichte. Zu Lebzeiten wurde Kafka in schriftstellerischen Kreisen zwar wahrgenommen und rezensiert, der große Publikumserfolg, den sich sein Freund und Förderer Max Brod versprochen hatte, blieb jedoch aus. Nach Kafkas Tod edierte Brod das Gesamtwerk des Freundes, allerdings mit erheblichen Hindernissen durch die nationalsozialistische Diktatur, die Kafka auf die Liste verbotener Autoren setzte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, zu Beginn der 1950er Jahre, begann eine umfangreichere Rezeption des Schriftstellers in Deutschland. Diese allerdings gestaltete sich umso intensiver: Kafkas Werk erfuhr eine selten dagewesene 'Interpretationswut' und wurde biographisch, psychoanalytisch, theologisch, existentialistisch, politisch gedeutet – um nur die wichtigsten Ansätze zu nennen. Schnell wurden Werke wie Das Urteil, Die Verwandlung oder Der Proceß zum literarischen Kanon gezählt. Mittlerweile ist Kafkas Werk Pflichtlektüre an Schulen und Universitäten, die Kafkaforschung ist nach wie vor äußerst produktiv und zum Jubiläumsjahr erscheinen gleich in mehreren großen deutschsprachigen Verlagen kommentierte und unkommentierte Erzähl- und Romanausgaben.
Wie aktuell aber ist Kafka wirklich? Wie fruchtbar ist die Kafkaforschung heute noch? Was gibt es noch Neues zu diesem vielinterpretierten Dichter zu sagen? Was macht heute noch seine Faszination aus – existiert diese überhaupt noch? Diese und ähnliche Fragen wurden mit den renommierten Kafka-Forschern Werner Frick, Manfred Engel und Ritchie Robertson sowie dem Literaturkritiker Martin Lüdke und dem Autor Hanns Josef Ortheil intensiv besprochen – sowohl in den formulierten Referenten-Statements, als auch in der anschließenden Diskussion mit Fragen aus dem Publikum. Bei dieser Veranstaltung vom 3. Juli 2008 waren nach der Einführung durch Dieter Lamping (Universität Mainz/Freiburg Institute for Advanced Studies) folgende Beiträge zu hören:
Werner Frick (Freiburg Institute for Advanced Studies): Der „Schwarze Kaffee“: Hommage an Kafkas 'friendly losers'
Ritchie Robertson (Universität Oxford): Kafka als Weltautor: Zu seiner Aufnahme in der englischsprechenden Welt
Manfred Engel (Universität Oxford): Franz Kafka und der Glaube an die Literatur
Martin Lüdke (SWR, Mainz): Die Laufrichtung hat sich geändert. Eine Befürchtung, Kafka betreffend
Hanns Josef Ortheil (Universität Hildesheim): Warum ich mit Franz Kafka so meine Schwierigkeiten habe…