Kristine Harthauer

Moderatorin, Redakteurin und Podcast-Host bei SWR Kultur

Bachelor und Master in Komparatistik an der JGU Mainz (Abschluss 2020)

Kristine Harthauer

 

Warum ist Literatur (heute noch) relevant?

Das finde ich ein bisschen fies. Ich habe die Relevanz selbst erlebt, als ich auf der Buchmesse in Leipzig war. Dort gab es unfassbar lange Schlangen von jungen Menschen, die sich angestellt haben. Nicht, um ein Autogramm zu bekommen oder eine Lesung live zu erleben, sondern einfach nur, um auf einen Verlagsstand zu kommen und Bücher in die Hand zu nehmen. Literatur ist und bleibt relevant. Warum? Weil sie uns neue Welten eröffnet. Weil sie uns andere Menschen, andere Welten, andere Ideen nahebringt und unsere eigene Perspektive erweitert.

Wie hilft dir dein Komparatistik-Studium heute noch?

Literatur ist mein täglich Brot, denn ich schreibe Rezensionen und führe Gespräche mit Autor*innen. Mein Studium hilft mir dabei, den Überblick über den ganzen Literaturdschungel und diese vielen 1000 Neuerscheinungen, die es jedes Jahr gibt, zu behalten. Und vor allen Dingen hilft es mir, Bücher auch einordnen zu können und zu wissen, dass Bücher nicht irgendwie für sich in einem leeren Raum erscheinen, sondern in einem Netzwerk von Literatur.

Bitte beende die folgenden Sätze: Mein Komparatistik-Studium hat mein Interesse geweckt für...

… für Comics. Als ich angefangen habe zu studieren, hatte ich dieses Genre überhaupt nicht auf dem Schirm. Ich dachte immer, diese ganzen Marvel-Comics und Lustigen Taschenbücher sind eher was für Jungs mit ihren Superhelden und Donald Duck. Dann hatte ich aber eine Vorlesung zum Thema Comics und Literatur. Die hat mir gezeigt, wie Comics literarische Texte adaptieren und aufbereiten können.

Komparatistik ist ein wichtiges Fach, weil …

… es die Brücken zu verschiedenen Philologien schlägt und uns wirklich in die Weltliteratur hinausführt. Es öffnet unseren Blick auch aus dem westlichen Kontext heraus, etwa in die lateinamerikanische oder südostasiatische Literatur. Gerade in unserer globalisierten Welt wird es immer wichtiger, dass man nicht nur auf den eigenen Tellerrand schaut, sondern darüber hinaus und das nicht nur länder-, sondern auch medienübergreifend.

Wenn Du jetzt noch einmal mit dem Studium anfangen könntest, was würdest du anders machen?

Ich würde auf jeden Fall ins Ausland gehen. Das ist etwas, das habe ich total verpasst, weil ich so sehr darauf konzentriert war, hier Praktika zu machen und neben dem Studium zu arbeiten. Das würde ich auf jeden Fall nachholen. Nicht nur, um die Sprachkenntnisse noch zu erweitern und zu verfestigen, sondern auch, um den Blick zu öffnen und die Chance zu haben, in eine andere Kultur und in deren literarischen Bereich noch mal über die universitäre Art und Weise hinaus einzutauchen.

Was würdest du aus deinem Studium nicht missen wollen?

Die langen Lektürelisten! Ich muss gestehen, dass man es nicht immer schafft, alles zu lesen. Aber ich möchte nicht missen, dass es Dozent*innen gibt, die diese Listen zusammenstellen, die sich Gedanken machen, warum in der Vorlesung oder in dem Seminar genau diese Bücher zu diesem Thema gut zusammenpassen, warum man sie lesen sollte.

Welches Buch hättest du ohne das Studium nicht kennengelernt?

Ein Buch, das ich nicht kennengelernt hätte, ist ein Comic von Matt Madden. Und zwar 99 Ways To Tell a Story. Er ist von einem Band des Schriftstellers Raymond Queneau inspiriert, der eine einzige Geschichte auf 100 Arten erzählt. Das denkt man gar nicht – ein und dieselbe Geschichte? Wie ist das möglich? Und Matt Madden hat eben diese Brücke geschlagen in die Comicform, mithilfe des Zeichnens, der Perspektive, des Tempos auch eine Geschichte auf 99 Arten neu zu erzählen.

Was würdest du einer Person raten, die überlegt, Komparatistik zu studieren?

Einer Person, die überlegt, in Mainz Komparatistik zu studieren, würde ich raten, dass sie neugierig und offen ist, sich auch auf Bücher einzulassen, bei denen man vielleicht erst denkt: Uff, so ein alter Schinken, was bringt mir das noch? Was bringt es mir, mich durch den Kafka oder den Ulysses durchzubeißen? Es sind sehr oft einfach Grundlagentexte, die dir für andere Bücher noch viele Türen öffnen werden.