Vorlesungen Wintersemester 2020/21

Hinweis: Die Zugehörigkeit der Lehrveranstaltungen zu den einzelnen Modulen des B.A.-Studiengangs Komparatistik/Europäische Literatur, des M.A.-Studiengangs Komparatistik und des M.A.-Studiengangs Weltliteratur ist durch Kurztitel der Module nach den Lehrveranstaltungstitel angegeben.

 

Wintersemester 2020/21

Ob und in welchem Ausmaß die Lehrveranstaltungen des Wintersemesters 2020/21 in Präsenz oder digital stattfinden, ist im Moment noch nicht abzusehen.

V Einführung in die Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (BA Modul Einführung)

W. Eckel, F. Zipfel, S. Seiler, J. Heß, M. Kopf, M. Wiesmann, A. Zehler

2-std., Mi, 12 – 14 Uhr, P 2

Beginn: 4. November 2020

Im Hinblick auf eine theoretische und methodologische Fundierung des Studiums der europäischen Literatur möchte die Vorlesung mit den zentralen Konzepten und Fragestellungen der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft (AVL) bekannt machen. Sie begleitet und ergänzt das gleichnamige Einführungsproseminar. Neben einigen der auch dort behandelten Themen sind Gegenstand vor allem grundlegende Konzepte von Literatur, Probleme der literarischen Kanonbildung („Weltliteratur“), Fragen des literarischen Austauschs zwischen Sprachräumen und Kulturen (Intertextualität, Interkulturalität). Auch auf die Geschichte der AVL soll ein Blick geworfen werden.

 

V Europäische Tragödie (BA Modul Internationalität der Literatur)

F. Zipfel

2-std., Do, 12 – 14 Uhr, P 4

Beginn: 5. November 2020

Die Tragödie ist eine der einflussreichsten und langlebigsten Gattungen der abendländischen Literatur. Grundlegend für die Bestimmung dieser Dramenform ist und bleibt das Tragödienkonzept der griechischen Antike – sowohl die Entstehungs- wie auch die erste Blütezeit der Gattung. Mit der Wiederbelebung der Tragödie in der Renaissance setzen die Neu-Interpretationen und damit die Abwandlungen des antiken Modells ein. Die neuzeitlichen Tragödien bedeuten aber nicht nur die Fortführung, sondern immer auch die Infragestellung des antiken Modells. So entsteht ein Nachdenken über das Spezifikum Tragödie, d.h. über das Tragische. Auch wenn die Tragödie schon oft totgesagt wurde, bleibt die Frage nach der Tragik und ihrer Darstellung bis heute literatur-, medien- und kulturwissenschaftlich relevant.
In der Vorlesung werden durch die exemplarische Analyse von Dramen aus unterschiedlichen Zeiträumen der Tragödien-Tradition Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen historischen Konzeptionen der Tragödie und des Tragischen herausgearbeitet. Diskutiert werden u.a. die attische Tragödie (anhand von Aischylos: Orestie; Sophokles: Antigone, Euripides: Medea), die elisabethanische Tragödie (anhand von P. Marlowe: The tragical history of D. Faustus; W. Shakespeare: Romeo and Juliet, Hamlet), die französische tragédie classique (anhand von P. Corneille: Le Cid; J. Racine: Phèdre), Tragödie und Trauerspiel im Deutschland des 19. Jahrhunderts (anhand von F. Schiller: Die Jungfrau von Orléans; G.E. Lessing: Emilia Galotti; C. F. Hebbel: Maria Magdalene), naturalistische und existentialistische Tragödien im 20. Jahrhundert (anhand von A. Strindberg: Fräulein Julie; A. Camus: Le malentendu). Geplant ist auch eine Diskussion der Bedeutung der Tragödie bzw. tragischer Strukturen in der heutigen Literatur.
Zur vorbereitenden Lektüre empfohlen: Gelfert, Hans-Dieter: Die Tragödie. Theorie und Geschichte. Göttingen 1995; Menke, Christoph: Die Gegenwart der Tragödie. Frankfurt/m 2005.

 

V Der aktuelle Blick auf Lateinamerika (MA Modul Intertextualität und Vertiefung)

S. Seiler

2-std., Mo, 12 – 14 Uhr, P 4

Beginn: 02. November 2020

Im Zuge der Covid-19-Pandemie sowie der umstrittenen Präsidentschaft Jair Bolsonaros in Brasilien rückt Lateinamerika, ein lange Zeit „vergessener“ Kontinent wieder in den Fokus der Weltöffentlichkeit, wenn auch mit vornehmlich negativen Schlagzeilen. Lange vorbei sind die Zeiten, in denen Lateinamerika, vor allem in Bezug auf die Literatur, als Kontinent der Zukunft galt. Diktaturen, ökonomische Misswirtschaft, soziale Probleme und nicht zuletzt auch das schwindende Interesse der USA am (Kriegs-)Schauplatz Lateinamerika haben auch die Sichtbarkeit des Literatur und Kultur gerade in Zeiten der Globalisierung schwinden lassen. Auch die Emergenz von Roberto Bolano Ende der 80er Jahre wie die Buchmesseschwerpunkte zu Argentinien und Brasilien konnten daran, wenn überhaupt, nur kurzfristig etwas ändern. Dabei veröffentlichen immer noch viele Autor*innen interessante Texte, die leider viel zu wenig in Deutschland und Europa rezipiert werden. In der Vorlesung sollen nun aktuelle lateinamerikanische Romane explizit aus dem europäischen Blickwinkel gelesen und analysiert werden. Dies führt zu Fragen der Übersetzbarkeit wie auch der kulturellen Übertragbarkeit, der Abwägung, wie viel Vorwissen bei den Leser*innen vorausgesetzt werden kann, um einen Titel auch auf dem deutschen Buchmarkt vermitteln zu können, als auch Fragen nach einer Interpretation, die gleichzeitig dem jeweiligen Werk als auch der Kultur, der es entspringt, gerecht wird. Sollte es die derzeitige Situation erlauben, wird die Vorlesung auch durch Gastbeiträge aus verschiedenen Instanzen der Literaturvermittlung bereichert werden.

 

V Interkulturelle Literaturwissenschaft: Modelle, Theorien, Konzepte (MA Modul Interkulturalität und Vertiefung)

W. Eckel

2-std., Do,  14 – 16 Uhr, P 5

Beginn: 5. November 2020

Die interkulturelle Literaturwissenschaft der vergangenen Jahrzehnte speist sich aus recht unterschiedlichen wissenschaftlichen Diskursen: postkoloniale Studien, Kulturtransferforschung, allgemeine Kulturtheorie, interkulturelle Hermeneutik, Philosophie und Soziologie des Fremden, Ethnologie, Exotismusforschung, Imagologie, Diskursanalyse, kritische Theorie, Dekonstruktion und andere Richtungen haben wichtige Ansätze bereitgestellt.
Doch ist die Literaturwissenschaft, die an Fragen interkultureller Begegnungen und Austauschprozesse interessiert ist, bis heute davon entfernt, über einen eigenen Ansatz und ein konsistentes Netz von Grundbegriffen zu verfügen. So ist etwa keineswegs klar, welche besondere Rolle der Literatur auf dem Feld der Interkulturalität zukommt: Ist die Literatur nur ein Epiphänomen außerliterarischer Prozesse und Konstellationen? Oder hat sie selbst an diesen teil? Oder vermag sie sie ganz im Gegenteil kritisch zu reflektieren? Zudem sind die Konzepte von Interkulturalität/ Transkulturalität/ Multikulturalität, von kultureller Identität/ Alterität/ Hybridität, ja von Kultur überhaupt Gegenstand grundlegender Kontroversen.
Die Vorlesung möchte in diese Debatten einführen, die wichtigsten Modelle und Theorieansätze der interkulturellen Literaturwissenschaft vorstellen und die Grundbegriffe zu klären versuchen. So weit möglich, sollen die theoretischen Überlegungen an literarischen Texten exemplarisch veranschaulicht werden.
Hofmann, Michael: Interkulturelle Literaturwissenschaft. Eine Einführung, Paderborn 2006.

Beginn: 22. April 2020

Das Jahr 1968 wird generell als gesellschaftliche und kulturelle Zäsur angesehen; dies konnte man in unzähligen Veröffentlichungen und Veranstaltungen zum 50. Jubiläum, nicht zuletzt auch im akademischen Bereich, im vorletzten Jahr beobachten. Schon lange ist 1968 keine reine Jahreszahl mehr sondern ein moderner Mythos, der für eine Wende im Bewusstsein westlicher Gesellschaften steht und letztlich auch eine Chiffre für eine langfristigere Veränderung ist, welche eigentlich das ganze Jahrzehnt der 60er Jahre umfasst. Diesen Status konnten die 70er Jahre nie erreichen, fast scheint es, als ob die Zeitrechnung nur noch eine Phase vor und eine nach 1968 kennt. Und doch ist es von Interesse, gerade zum 50. Geburtstag des Beginns jenes Jahrzehnts, die kulturelle Entwicklung zu rekapitulieren, die sich in der unmittelbaren Folge von 1968 ergeben hat. Die 70er Jahre sind ein Jahrzehnt der popkulturellen Ernüchterung, welches das Scheitern einer Utopie offenbart, das sich in tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbrüchen zeigt, die wiederum ihre recht bald literarische Verarbeitung gefunden haben, man denke nur an das Erscheinen der RAF oder die blutigen Diktaturen in Lateinamerika, beides unbestritten Folgen eines in Teilen gescheiterten gesellschaftlichen Liberalisierungsprozesses. In der Vorlesung soll diesen Spuren in der Literatur und im Film komparatistisch nachgegangen werden.

 

V Erzählen transmedial (MA Modul Intermedialität und Vertiefung)

W. Eckel

2-std., Do,  14 – 16 Uhr, P 5

Beginn: 23. April 2020

Die klassische Theorie des Erzählens (Stanzel, Todorov, Genette u.a.) ist seit den 1950er Jahren im Hinblick auf schriftlich fixierte literarische Texte formuliert worden. Im aktuellen Sprachgebrauch der Literatur-, Kunst und Medienwissenschaften dagegen ist eine deutliche Ausweitung des Erzählbegriffs zu beobachten. Seymour Chatman war der erste, der versucht hat, narratologische Kategorien auch auf den Film zu übertragen. Die gegenwärtige postklassische Erzählforschung (Wolff, Ryan, Rajewsky, Alber u.a.) diskutiert die Frage, ob der Kreis narrativer Phänomene noch weiter gezogen werden muss und z.B. auch Malerei oder Musik, aber auch Comics oder Computerspiele ein narratives Potential besitzen. Kann auch ein Bild, eine Symphonie, ein Gebäude eine Geschichte erzählen? Inwieweit muss der Begriff des Erzählens neu gefasst werden, wenn er über die Literatur hinaus auch auf andere Künste und Medien bezogen wird?
Die Vorlesung möchte einige Theorieansätze der transmedialen Narratologie vorstellen und an ausgewählten Beispielen kritisch diskutieren.
Chatman, Seymour: Story and Discourse. Narrative Structure in Fiction and Film, Cornell U. Press 1980; Wolf, Werner: „Das Problem der Narrativität in Literatur, bildender Kunst und Musik: Ein Beitrag zu einer intermedialen Erzähltheorie“, in: Ansgar und Vera Nünning (Hg.): Erzähltheorie transgenerisch, intermedial, interdisziplinär, Trier 2002, S. 23-104; Herman, David: „Toward a Transmedial Narratology“, in: Marie-Laure Ryan (Hg.): Narrative across Media. The Languages of Storytelling, Lincoln 2004, S. 47-75; Ryan, Marie-Laure: „On the Theoretical Foundations of Transmedial Narratology“, in: Jan Christoph Meister (Hg.): Narrative Beyond Literary Criticism, Berlin 2005, S. 1-23; Mahne, Nicole: Transmediale Erzähltheorie. Eine Einführung, Göttingen 2007; Schüwer, Martin: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur, Trier 2008; Alber, Jan; Hansen, Per Krogh (Hg.): Beyond Classical Narration. Transmedial and Unnatural Challenges, Berlin 2014; Thon, Jan-Noel: Transmedial Narratology and Contemporary Media Culture, Lincoln 2016.

 

V Literaturtheorie im 21. Jahrhundert (MA Modul Theorie der Literatur und Vertiefung)

F. Zipfel

2-std., Do,  12 – 14 Uhr, P 4

Beginn: 23. April 2020

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Epoche des schnellen Wechsels der literaturtheoretischen Paradigmen: vom in der westlichen Welt neu entdeckten Formalismus, über den Strukturalismus, die Weiterentwicklung der Hermeneutik, die psychoanalytische Literaturtheorie bis hin zu feministischen, gender- oder queerorientierten, postkolonialen, poststrukturalistischen, sprachanalytischen und kulturwissenschaftlichen Strömungen. Es war auch die Zeit der großen und intensiven Auseinandersetzungen z. B. zwischen der Hermeneutik und der Dekonstruktion oder zwischen dem Poststrukturalismus und der Sprachphilosophie. Im 21. Jahrhundert scheinen die Paradigmenwechsel weniger häufig und die Diskussionen darum weniger aufgeregt zu sein. Nichtsdestotrotz sind eine Reihe von neuen Paradigmen zu erkennen wie z. B. die evolutionistisch-biologistisch, die kognitivistisch, die neurowissenschaftlich, die emotionswissenschaftlich oder die ökologisch grundierte Literaturtheorie. Die Voraussetzungen, die grundlegenden Aspekte sowie die Auswirkungen dieser literaturtheoretischen Ansätze auf die Konzepte von Literatur sowie auf die Interpretation von literarischen Texten sollen in der Vorlesung vorgestellt und anhand von einschlägigen Texten diskutiert werden.