„But that, I would respond, is why we need fiction: to stretch our world.”
Susan Sontag
MAINZ – Stadt des Wissens und der Medien
Mainz ist eine lebendige und weltoffene Stadt zwischen Tradition und Innovation: eine Stadt der kurzen Wege und der vielfältigen Möglichkeiten. Die nach dem Medienrevolutionär Johannes Gutenberg benannte Universität ist eine der größten Deutschlands. Der internationale Campus bietet ein reges studentisches Leben, die Lehrenden haben noch Zeit für die individuelle Betreuung der Studierenden. In Mainz und im Rhein-Main-Gebiet sind zahlreiche Verlage und Zeitungen, mehrere Theater, diverse Kulturinstitutionen (z.B. Stiftung Lesen, Literaturhäuser, Buchmesse, Bibliotheken, Akademien) und Medienhäuser (z.B. SWR, ZDF, 3SAT, arte) angesiedelt und eröffnen vielfältige Möglichkeiten für Praktika und Berufschancen.
MASTER WELTLITERATUR IN MAINZ
Globalisierung und Digitalisierung sind die Schlagworte des 21. Jahrhunderts. Die digitale Revolution hat nicht nur in Wirtschaft und Politik, sondern auch auf dem Feld der Kultur zu einer noch nie dagewesenen internationalen Vernetzung geführt. Die neuen Möglichkeiten der Kommunikation sowie der Zirkulation von Waren und Ideen haben vielschichtige Auswirkungen auf die Literatur, sowohl auf ihre Entstehung wie auf ihre Verbreitung. Die Komparatistik hat darauf am Beginn des 21. Jahrhunderts mit einem verstärkten Interesse am bereits von Goethe propagierten Konzept der Weltliteratur reagiert.
Allerdings entstand und verbreitete sich Literatur immer schon im internationalen Austausch zwischen Autor:innen aus unterschiedlichen Sprachenräumen, zwischen Texten aus mehr oder weniger weit voneinander entfernten Kulturen. Deshalb thematisiert der Studiengang die zeitgenössischen Veränderungen in der Internationalisierung von Literatur vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Produktion und Rezeption von Literatur auch in früheren Zeiten durch Internationalität geprägt war.
Der Mainzer Master-Studiengang Weltliteratur, der erste und einzige deutschsprachige M.A.-Studiengang dieser Art, ist interdisziplinär gestaltet. Neben der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft (Komparatistik) sind Afrika-Studien, Anglistik, Romanistik, Slavistik, Turkologie, Südasien-Studien und Buchwissenschaft an ihm beteiligt. Durch die buchwissenschaftliche Perspektive können die materiellen und medialen Voraussetzungen (z.B. Buchdruck, e-book usw.) sowie die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen (z.B. international operierende Verlage mit ihren am Weltmarkt orientierten Produktionen und Distributionsnetzen) der internationalen Literaturbeziehungen beleuchtet werden.
Für eine intensive Auseinandersetzung mit Weltliteratur sorgen die systematische Diskussion grundlegender Konzepte sowie vergleichende Textlektüren in sprachübergreifender und medienwissenschaftlicher Perspektive. Abstrakte Konzepte wie Intertextualität, Interkulturalität und Internationalität werden so mit konkreten Inhalten gefüllt. Studierende können Lehrveranstaltungen aus dem fachübergreifenden Angebot wählen und eigene wissenschaftliche Schwerpunkte setzen.
Konkrete Themen und Fragestellungen sind zum Beispiel:
- Internationale Kanonbildung
- kleine vs. große Literaturen
- kulturelle Alterität/Hybridität
- Migration und Mehrsprachigkeit
- Weltliteratur vs. Nationalliteraturen
- Intertextualität und kulturelles Gedächtnis
- Literarische Übersetzung/Übersetzungspolitik
- Buchmarkt im Zeitalter der Globalisierung
Schwerpunkte des interdisziplinär angelegten Masterstudiengangs Weltliteratur sind die Module Intertextualität und Interkulturalität sowie die frei wählbaren einzelphilologischen bzw. buchwissenschaftlichen Module. Das Modul Theorie lädt dazu ein, fachspezifische Methoden und Konzepte zu erörtern. Das Vertiefungsmodul bietet den Studierenden ausreichend Freiraum, eigene Studienschwerpunkte zu setzen. Zahlreiche internationale Kooperationen ermöglichen Studienaufenthalte im Ausland.
Studienaufbau
Die Auseinandersetzung mit ,Intertextualität‘ lenkt dabei die Aufmerksamkeit auf die vielfältigen Verknüpfungsformen zwischen literarischen Texten, die für ,Weltliteratur‘ im Sinne des Studiengangs konstitutiv sind und diese mehr sein lassen als nur die Summe aller Einzelliteraturen oder eine Auswahl der qualitativ herausragenden literarischen Werke. Intertextuelle Bezüge zu untersuchen, bedeutet nicht nur, die Sinnerweiterung eines Textes durch dessen Bezugnahmen auf andere Texte zu beleuchten. Die Reflexion von Autorschaft, Originalität und literarischer Anleihe lässt zudem einen Text in seiner jeweiligen Gegenwart vor dem Hintergrund einer historischen Tiefendimension hervortreten. Eine solche Perspektive ermöglicht nicht zuletzt eine kritische Reflexion zur Kanonbildung, und sie erfasst ebenso die Bedeutung literarischer Werke für ein globales kulturelles Gedächtnis.
Der ,interkulturelle‘ Aspekt von Literatur beleuchtet Fragen von kultureller Identität/Alterität, der Darstellung des Fremden, der Hybridisierung von Kulturen und der Migration als literarische wie auch kulturell-gesellschaftliche Phänomene. Dieser Aspekt ist in den letzten Jahrzehnten vor allem im Bereich der Postkolonialen Studien im Zusammenhang der Diskussionen um eine „Neue“ Weltliteratur (Sturm-Trigonakis u.a.) bedeutsam geworden, die von Autor:innen mit Wurzeln in den ehemaligen Kolonien europäischer Staaten stammt. Aber auch schon die ältere Literatur lässt sich immer wieder als Dokument interkultureller Begegnungen und transkultureller Verflechtungen lesen. Durch weltweite Migrationsströme und einen intensivierten Austausch zwischen den Kontinenten ist die Differenz zwischen dem kulturell Eigenen und Fremden seit längerem in Bewegung geraten. Ein Ort kritischer Reflexion auf diese Entwicklung ist die Literatur. Die interkulturelle Dimension von Literatur verdient daher gerade vor dem Hintergrund des Globalisierungsprozesses erhöhte Aufmerksamkeit.
Eine kritische Beschäftigung mit wissenschaftlichen Ansätzen zu einer ,Theorie der Weltliteratur‘ unter Einbeziehung einschlägiger Autorenpoetiken ist für den Studiengang unabdingbar. Dabei impliziert eine angemessene Definition des Begriffs zugleich die Klärung des Verhältnisses von Weltliteratur und Nationalliteratur, von ,großen‘ und ,kleinen‘ Literaturen, die Auseinandersetzung mit Problemen der Kanonbildung, die Beschäftigung mit dem Thema der Übersetzung, aber etwa auch die Frage, inwiefern dem Konzept und der Sache der Weltliteratur für die Entstehung eines globalen oder Weltbewusstseins eine performative Funktion zugesprochen werden kann. Grundlegende Fragen zum Literaturbegriff, wie sie in den Gegenstandsbereich der Allgemeinen Literaturwissenschaft fallen, müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls thematisiert werden.
Die Beschäftigung mit Problemstellungen aus dem Bereich literarischer Intertextualität und Interkulturalität sowie mit den genannten theoretischen Fragen bildet den Rahmen, in dem Studienangebote aus dem Bereich der mit einzelnen Literaturen sich beschäftigenden ,Einzelphilologien‘ sinnvoll integriert werden können. Aus dem Spektrum der Literaturwissenschaften wählen die Studierenden zwei Einzelphilologien aus, in deren Gegenstandsbereich sie vertiefte Einblicke nehmen wollen (zur Wahl stehen: Afrikanische, Englische, Französische, Spanische, Italienische, Polnische, Russische, Südasiatische und Türkische Literaturwissenschaft). Hier geht es vor allem darum, exemplarische Kenntnisse von weltliterarisch bedeutsamen Werken, Autor:innen, Epochen einer Einzelliteratur sowie Einsichten in die besondere Entwicklungsdynamik dieser Einzelliteratur im Kontext der Weltliteratur, aber auch in ihre Verbindung mit dem jeweiligen nationalen und internationalen Buchmarkt zu gewinnen. ,Nationalliteratur‘ und ,Weltliteratur‘ sind dabei als je spezifische Konstruktionsweisen des literaturwissenschaftlichen Gegenstandes zu reflektieren. Nicht zuletzt sollen die besonderen disziplinären Perspektiven der jeweiligen Einzelphilologie auf Fragen der Weltliteratur vermittelt werden. Über die genannten Philologien hinaus sind punktuell auch Einblicke in andere Einzelphilologien möglich (s.u. Abschnitt „Studienaufbau“).
Anstelle einer der Einzelphilologien kann auch ,Buchwissenschaft‘ gewählt werden. Strategien international operierender Verlage, Agenturen und Kulturvermittlungsinstitutionen interessieren hier ebenso wie Fragen der Materialität des Buches und der Stellung des Buchs im Medienverbund angesichts aktuell sich weltweit wandelnder Publikationsprozesse, die Formen der Buchdistribution auf dem Weltmarkt oder die Rolle nationaler Buchpolitiken im Rahmen der Globalisierung. Weltliteratur erweist sich auf diese Weise auch als ein Produkt politischer und ökonomischer Interessen, dessen Bedeutung für die Ausbildung nationaler und kultureller Identitäten einer globalen Zirkulation nicht entgegensteht.
Im Vertiefungsmodul können neben Vorlesungen und Seminaren der am Studiengang beteiligten Fächer auch Lehrveranstaltungen anderer Fächer besucht werden, sofern dort Plätze frei sind und die jeweiligen DozentInnen zustimmen, z.B. Veranstaltungen der Amerikanistik oder Veranstaltungen zur arabischen, persischen und zu anderen Literaturen. Das Vertiefungsmodul ermöglicht individuelle Schwerpunktsetzungen und dient zudem einer flexibleren Gestaltung des Studienverlaufs.
Ein Abschlussmodul dient wesentlich dazu, die Studierenden bei der Konzeption und Durchführung der M.A.-Arbeit unterstützend zu begleiten.
Eine Besonderheit des Studiengangs besteht in der Möglichkeit eines Studienabschlusses mit einem der genannten Schwerpunkte, wenn zusätzlich im Rahmen der Vertiefungsmodule mindestens 4 Semesterwochenstunden aus dem Bereich des gewählten Schwerpunkts studiert wurden und die M.A.-Arbeit im Bereich dieses Faches geschrieben wird. Der Abschluss lautet dann auf die gewählte Fachbezeichnung:
„Weltliteratur/ Schwerpunkt: Afrikanische Literatur“
„Weltliteratur/ Schwerpunkt: Englische Literatur“
„Weltliteratur/ Schwerpunkt: Französische/ frankophone Literaturen“
„Weltliteratur/ Schwerpunkt: Spanische/ hispanophone Literaturen“
„Weltliteratur/ Schwerpunkt: Italienische Literatur“
„Weltliteratur/ Schwerpunkt: Südasiatische Literatur“
„Weltliteratur/ Schwerpunkt: Polnische Literatur“
„Weltliteratur/ Schwerpunkt: Russische Literatur“
„Weltliteratur/ Schwerpunkt: Türkische Literatur“
„Weltliteratur/ Schwerpunkt: Buchwissenschaft“
Lehrveranstaltungen (Beispiele)
- Literatur und Mehrsprachigkeit
- Bolaño aus komparatistischer Sicht
- Globalisierung und Literatur
- Intertextualität als Schreiben am Mythos
- Weltkino/Weltliteratur
- Orpheus-Rezeption: Asien, Afrika und USA
- Interkulturelle Literatur/-wissenschaft
- Der Nobelpreis für Literatur
- ‚Writing back‘ und der Kanon
- Schreiben zwischen Kulturen
- Afrika in der Literatur
- Goethe und die Weltliteratur
- Literarischer Exotismus
- Don Quichotte in der Weltliteratur
- Internationale Gegenwartsliteratur
- Theorie und Praxis der Übersetzung
- Literatur der Migration
- Weltliteratur: Neue Theorieansätze
Studienvoraussetzungen
Voraussetzung für das Studium ist ein Bachelorabschluss oder ein gleichwertigen Studienabschluss an einer Hochschule in Deutschland oder im Ausland, und zwar entweder B.A. in Komparatistik bzw. Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (Kern- oder Beifach) oder B.A. in einer Fremdsprachenphilologie (in der Regel als Kernfach, ggf. auch als Beifach) oder B.A. in zwei Einzelphilologien unterschiedlicher Sprache oder B.A. Buchwissenschaft mit Fremdsprachenphilologie.
Eine Bewerbung ist möglich, sobald Sie in Ihrem Bachelorstudiengang mindestens 135 Leistungspunkte erreicht haben. Das B. A.-Zeugnis kann bis zum Ende des ersten Mastersemesters nachgereicht werden.
Lektürefähigkeit in Englisch und einer weiteren modernen Fremdsprache (afrikanischer, romanischer, slavischer oder skandinavischer Sprachkreis; Türkisch, Hindi/Urdu oder Singhalesisch; andere Literatursprachen können im Einzelfall zugelassen werden)
Studienbeginn
Der Studienbeginn ist im Wintersemester und im Sommersemester möglich.
Bewerbungsfristen
01.09. für das Wintersemester
01.03. für das Sommersemester
derzeit nicht zulassungsbeschränkt
Und nach dem Master?
Die Berufsperspektiven nach dem Abschluss des M.A. Komparatistik/Europäische Literatur sind vielfältig:
• Verlage und Buchbranche (z.B. Lektorat, Literaturagentur),
• (Kultur-)Journalismus (Print, Online, TV, Radio),
• Dramaturgie (z.B. Theater oder Film),
• internationale Kulturinstitutionen (z.B. Akademien, Stiftungen, Fortbildungseinrichtungen),
• Öffentlichkeitsarbeit (z.B. in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft)
oder für diejenigen, die sich weiter wissenschaftlich mit Weltliteratur auseinandersetzen wollen: eine Promotion in Komparatistik